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Rezension: „Der Kobaltkanzler“ von Hans-Ulrich Jörges – Eine erschreckend plausible politische Dystopie

Autorenbild: Norbert OpfermannNorbert Opfermann

Hans-Ulrich Jörges legt mit „Der Kobaltkanzler“ einen beklemmenden Roman vor, der die deutsche Politiklandschaft in eine düstere, aber erschreckend realistische Zukunft projiziert: Die AfD wird bei der Bundestagswahl stärkste Partei und stellt mithilfe einer Koalition mit der CDU den Bundeskanzler. Der Titel des Buches, inspiriert von der Parteifarbe der AfD, steht für die strategische Neuausrichtung und den Versuch der Partei, sich als seriöse und zukunftsweisende Kraft zu inszenieren.


Jörges gelingt es, ein Szenario zu entwickeln, das nicht nur die Dynamik eines historischen Machtwechsels beleuchtet, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Folgen detailliert darstellt. Der „Kobaltkanzler“ – eine umstrittene aber von der CDU als gemäßigt akzeptierte Figur– wird zur Identifikationsfigur für eine tief gespaltene Nation. Die AfD präsentiert sich im Buch als Partei, die von ihrer einstigen Radikalität abrückt, um regierungsfähig zu erscheinen, während die CDU, getrieben von Machtinstinkt und Orientierungslosigkeit, ihre Prinzipien opfert und eine Koalition eingeht, die zur Schicksalsgemeinschaft wird.


Buchcover Der Kobaltkanzler Osburg Verlag
Buchcover Der Kobaltkanzler Osburg Verlag (Foto: Opfermann)

Das Regierungsprogramm des „Kobaltkanzlers“ findet überraschend breite Unterstützung in der Bevölkerung. Es setzt auf nationale Identität, wirtschaftlichen Protektionismus und eine vermeintlich pragmatische Politik, die jedoch schleichend die demokratischen Strukturen aushöhlt. Besonders beklemmend ist, wie Jörges den Umgang der Regierung mit den Medien und den schleichenden Verlust von Bürgerrechten schildert. Die Nähe zur aktuellen politischen Realität macht den Roman umso erschreckender.


Jörges’ Figuren sind glaubhaft und vielschichtig: Der Kanzler regiert mit strategischer Kälte, während die CDU-Führung zunehmend zwischen Opportunismus und schlechtem Gewissen zerrieben wird. Auf der anderen Seite stehen die zunehmend isolierten Stimmen der Opposition und der Zivilgesellschaft, die ohnmächtig gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck ankämpfen. Besonders eindrücklich ist die Darstellung, wie demokratische Parteien aus reinem Machtkalkül zu Wegbereitern einer Politik werden, die sie selbst einst entschieden abgelehnt haben. Dieser Verrat an den eigenen Werten aus Gründen der Regierungsbeteiligung steht sinnbildlich für die Fragilität demokratischer Strukturen.


Stilistisch beeindruckt Jörges mit einer klaren, journalistisch geprägten Sprache, die den politischen Diskurs pointiert einfängt. Ohne Übertreibung oder Effekthascherei lässt er die Handlung und die Dialoge für sich sprechen, was den Roman umso glaubwürdiger macht. Hans-Ulrich Jörges, 1951 geboren, zählt zu den führenden politischen Journalisten Deutschlands. 2004 war er politischer Journalist des Jahres in Deutschland. Bis Juli 2020 schrieb er fast tausend Kolumnen für den Stern.


„Der Kobaltkanzler“ ist mehr als ein politischer Thriller – es ist eine Mahnung und ein Spiegel unserer Zeit. Jörges zeigt auf, wie schnell demokratische Grundwerte ins Wanken geraten können, wenn Machtstreben und populistische Versprechen die Oberhand gewinnen und wenn demokratische Parteien aus Machtkalkül zu Steigbügelhaltern werden. Ein hochaktuelles, nachdenklich stimmendes Werk, das unbedingt gelesen werden sollte.


Hans-Ulrich Jörges, Der Kobaltkanzler, erschienen im Osburg Verlag, 22 Euro.

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