Norbert Opfermann

9. Sept. 20213 Min.

Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Deportation Russlanddeutscher unter Stalin

Düsseldorf, 4. September 2021. Am Samstag fand im Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90,anlässlich des 80. Jahrestages des Beginns der Deportationen der Deutschen in der Sowjetunion eine Gedenkfeier statt. Anschließend wurden zwei Ausstellungen eröffnet: die eine zeigt Leben und Werk der Dichterin und Autorin Nora Pfeffer, die andere erinnert an die Geschichte und das Schicksal der Wolhyniendeutschen in der Ukraine. Beide Ausstellungen entstanden In Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen. Mit Video.

Vor 80 Jahren ließ Stalin den Erlass verabschieden, mit dem die Sowjetregierung am 28. August 1941 Hunderttausende deutschstämmiger Russen in die Verbannung und zur Zwangsarbeit deportierte. Diese Vorgänge forderten zahllose Todesopfer. Die Russlanddeutschen traf das Vertreibungsschicksal somit schon zwei Monate nach dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion. Aber bereits zuvor, in den Jahren 1937/1938, hatte es die sogenannte „Große Säuberung“ gegeben, im Zuge derer 55.000 Deutsche exekutiert und erschossen wurden.

Verlust der Heimat an der Wolga, in der Ukraine und im Kaukasus

Das Jahr 1941 wurde dann zum vernichtenden Schicksalsjahr für mehr als eine dreiviertel Million Russlanddeutsche. Mit der Verbannung nach Kasachstan, an den Ural und nach Sibirien endete eine Epoche deutscher Siedlungsgebiete in der Ukraine, an der Wolga und im Kaukasus. Die sozialen, kulturellen, administrativen und in vielen Fällen auch familiären Strukturen der Volksgruppe wurden nachhaltig zerstört.

Dem Erlass-Unterzeichner Michail Iwanowitsch Kalinin, Vorsitzender des Obersten Sowjets, setzte man später ein besonderes Denkmal mit der Umbenennung der ostpreußischen Stadt Königsberg und dem sie umgebenden Regierungsbezirk in Kaliningrad.

Erst 1964 wurden die Russlanddeutschen in der Sowjetunion teilrehabilitiert

Erst 1964 wurde der pauschal erhobene Vorwurf der Kollaboration mit den Nationalsozialisten als unbegründet bezeichnet und durch eine Teilrehabilitierung zurückgenommen. Es war das Eingeständnis der Sowjetunion, seine deutsche Bevölkerung schuldlos der Heimat verwiesen zu haben. Im „Wiedergutmachungs-Erlass“ von 1964 behauptete die Sowjetregierung, dass die Heimat der Deportierten nunmehr neu besiedelt sei und dass die deutsche Bevölkerung an ihren neuen Wohnorten in den Zielgebieten der Deportation Fuß gefasst habe. Damit wurden die Russlanddeutschen letztlich nochmals entwurzelt.

Es ist eine Tatsache der Geschichte, dass die russlanddeutsche Volksgruppe sowohl im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg zwischen die Räder der Diktaturen geriet. Die Deportation markiert einen tiefen und bis in die Gegenwart nachwirkenden Einschnitt in der Russlanddeutschen Geschichte. Es ist daher nur folgerichtig, dass Deutschland bis heute das Kriegsfolgenschicksal der Russlanddeutschen anerkennt und garantiert, dass sie als Deutsche nach Deutschland kommen können. Erst im Rahmen der Ostpolitik konnten in den 1970er- und 1980er-Jahren über 70.000 Russlanddeutsche nach Deutschland umsiedeln.

Die Wolhyniendeutschen wurden nach Deutschland zwangsverschleppt

Als die russischen Truppen 1915 schwere Niederlagen erlitten und Gebiete verloren, wurden etwa 200.000 Russlanddeutsche aus Wolhynien, einem einem südlich der Prypjatsümpfe gelegenen Landstrich, in den Osten deportiert. Als die Wehrmacht 1941 bereits 70 Prozent der Ukraine erobert hatte, wurden die Wolhyniendeutschen ins Deutsche Reich zwangsverschleppt, eingebürgert und mussten zum Teil in der Wehrmacht dienen.

Briten und Amerikaner lieferten die Wolhyniendeutschen an die Sowjetunion aus

Ein Teil der Umgesiedelten kam nach der deutschen Niederlage wieder in den Machtbereich der Sowjetunion oder wurde durch die Briten und US-Amerikaner als Displaced Persons den sowjetischen Militärbehörden ausgeliefert. In den Augen Stalins galten alle sowjetischen Bürger, die sich während des Zweiten Weltkriegs aus welchen Gründen auch immer zeitweise außerhalb der UdSSR aufgehalten hatten, als „Vaterlandsverräter“ sowie „Kollaborateure des Naziregimes“.

Andere Wolhyniendeutsche konnten dauerhaft in Deutschland bleiben. In Linstow kam es zu einer größeren Ansiedlung Wolhyniendeutscher. Sie pflegen ihre Geschichte und betreiben dort seit 1992 mit dem Wolhynier-Umsiedlermuseum eine einzigartige Kultur- und Begegnungsstätte. Zusammen mit der großen Auswanderungswelle seit den späten 1980er-Jahren kamen viele Wolhyniendeutsche als Aussiedler in die Bundesrepublik.

Erst 2018 wurden die Wolhyniendeutschen in der Ukraine rehabilitiert. Und am 21. August 2021 wurden ihre Rechte als deutsche Staatsbürger wiederhergestellt.

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