Gerresheim. Bei der Vorbereitung eines Bauvorhabens am Alter Markt in Gerresheim sind Archäologen auf mehrere riesige Holzfässer gestoßen, die senkrecht in den Boden eingelassen waren.
Bereits kurz nach der Entdeckung stand die Vermutung im Raum, dass es sich bei den Fässern um Relikte einer Gerberei handeln könnte. Trotz der vorab durchgeführten umfassenden Recherchen im Altkartenmaterial war der Fund eine echte Überraschung.
Jedoch ließ die Lage im direkten Umfeld zur Basilika St. Margareta und dem Quadenhof die Archäologen und die Bodendenkmalpflegerinnen des Instituts für Denkmalschutz und Denkmalpflege im Bauaufsichtsamt zunächst an der Interpretation zweifeln. Gerber produzieren Leder aus rohen Tierhäuten. Gerbereien erzeugten durch die Verarbeitung von Fleisch eine intensive Geruchsbelästigung, die nach heutigem Verständnis im Umfeld einer Kirche kaum vorstellbar ist. Allerdings wurden die Archäologen eines Besseren belehrt. Aus einem Urriss von 1830 konnte der Name des einstigen Grundstückeigentümers ermittelt werden. Der Gerresheimer Historiker Peter Stegt fand heraus, dass es sich bei dem Eigentümer um Caspar Körfgen von Gerresheim handelte. Im offiziellen Adressbuch für Rheinland-Westphalen aus dem Jahre 1833 wird Körfgen als so genannter Rotgerber oder Lohgerber geführt.
Zu Beginn erfolgte die Produktion von Leder in Eigenbedarf. Erst in einer späteren Phase entwickelten sich spezialisierte Handwerker, die als Rot-, Weiß- oder Sämischgerber, je nach Gerbstoff, bezeichnet wurden. Grundvoraussetzung für eine Gerberei war das Vorhandensein eines Fließgewässers, in dem die Häute in mehreren Schritten gespült und für den Prozess vorbereitet wurden. Der Bedarf an großen Wassermengen konnte aus dem Bett des Pillebachs erfüllt werden. Die Produktion des Leders erfolgte in mehreren Arbeitsschritten. Zunächst wurden die Tierhäute auf einem Schabebaum von Fleisch und Fettresten befreit. Danach erfolgte die Lockerung der Haare mithilfe von Pottasche oder Kalkmilch in speziellen Äschergruben, in die sie mehrere Tage eingelegt wurden. Nach der Entfernung der Haare erfolgte der eigentliche Gerbungsprozess in so genannten Lohgruben. Dabei handelt es sich um in den Erdboden eingetiefte Behältnisse, in denen die Häute, je nach Dicke und Qualität bis zu anderthalb Jahren in der Gerberlohe, einem Extrakt aus Hölzern, Blättern, Rinde und spezifischen Baumfrüchten, verbleiben konnten.
Eben diese Lohgruben werden in Form der großen Fässer am Alter Markt in Gerresheim archäologisch fassbar. Auch wenn die Baumaßnahme es nicht erlaubt, die Relikte im Boden zu erhalten, eröffnen die archäologische Dokumentation und ihre spätere wissenschaftliche Auswertung neue Erkenntnisse und spannende Einblicke in die Wirtschaftsgeschichte Gerresheims zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der weitere Umgang mit den Funden und die wissenschaftlichen Methoden zu ihrer Untersuchung werden im weiteren Verlauf der Grabung gemeinsam mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland festgelegt.
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