Norbert Opfermann

16. Aug. 20213 Min.

Kandidat ohne Platzreife

Aktualisiert: 1. Apr. 2022

Kommentar

Beim Golf würde man sagen, der Kandidat hat die Platzreifeprüfung leider nicht bestanden.

Seit Laschets Lachen und Feixen während der Rede des Bundespräsidenten im Hochwassergebiet bewegt sich die CDU im Sturzflug auf die 20-Prozent-Marke zu. Bei der theoretischen Platzreifeprüfung im Golf wäre Laschet damit in punkto Etikette und Verhalten glatt durchgefallen. Auch wenn das Foto, bei dem Laschet von einem Mitarbeiter vorm Regen beschirmt wird, das Flutopfer aber im Regen steht, nur einen Teil der Szene zeigt, trauen die Wähler Laschet mittlerweile weitere Fauxpas zu. Das Flutopfer wurde natürlich auch beschirmt, aber die Momentaufnahme und der Bildausschnitt vermitteln einen falschen Eindruck, der Laschet in einem schlechten Licht dastehen lässt. Auf die Frage an Elon Musk beim Besuch der Tesla-Fabrik in Brandenburg, wo er die Zukunft des Automobils sehe, und auf seine Vorgaben Wasserstoff oder Strom ein schallendes Lachen von Musk, dem E-Befürworter erntet, spricht nicht gerade für Laschets Kompetenz - egal ob als Interviewer oder zukünftiger Kanzler.

Aber auch bei der praktischen Platzreifeprüfung fällt Laschet durch: Da hat er bisher mehr Luft- und Bunkerschläge produziert. Mit seinen plötzlichen Absagen zu TV-Duellen und Wahlauftritten hätte er sich auf dem Golfplatz eine klare Disqualifizierung eingehandelt. So richtig kommt der Wahlkampfzug von Laschet nicht ins Rollen, Laschets Schlafwagen steht weiter auf dem Abstellgleis und wartet auf die Lokomotive. Es festigt sich zunehmend der Eindruck, dass man die "abgetakelte Fregatte Mertkel" mit deutlicher Linksneigung nicht gegen ein neues Flaggschiff, sondern gegen einen Seelenverkäufer ersetzt hat, der von Woche zu Woche mehr absinkt.

Dabei hätte Laschet es im Hochwassergebiet selbst in der Hand gehabt, sein Image als Deichgraf und Macher zu stärken. Schirm und Mantel hätte er nur gegen Bundeswehrparka und Stiefel tauschen müssen. Statt Soforthilfe nur zu versprechen, hätte er die Hilfen direkt vor Ort von der Bundeswehr oder anderen Behörden bar auszahlen lassen können. Ein Container hätte dazu schon gereicht. Beim Begrüßungsgeld an DDR-Bürger nach der Grenzöffnung 1989 hat das ja damals auch problemlos funktioniert. Und auch außenpolitisch befürchtet man, dass Laschet in seiner Linkischkeit ein zweiter Gerald Ford wird.

Man fragt sich in der Tat, warum Laschet die ehemalige Bild-Chefredakteurin Tanit Koch als Wahlkampfmanagerin geholt hat, wenn sie ihm keine Ratschläge gibt. Und wofür gibt die CDU eigentlich 20 Millionen Euro für den Wahlkampf aus? Die einfallslosen Wahlplakate bilden in ihrer Schlichtheit mit weißen Models nicht die Diversität der Gesellschaft ab. Das Wahlprogramm der CDU ist lau, mit butterweichem Altbekanntem gefüllt, das unter dem Vorbehalt der Finanzierung steht. Die Rentenfrage wird mal wieder verschoben, auf die Zeit nach 2030 - vermutlich mit Erhöhung des Rentenalters auf 70, einem weiteren Absinken des Rentenniveaus und mehr privater Vorsorge in Aktien bei prekären Arbeitsverhältnissen mit Mindestlohn. Wo soll der Großteil der Bevölkerung da vorsorgen? Hieß es nicht mal, Generalsekretär Ziemiak habe den Wahlkampf gut vorbereitet?

Kein Wunder also, dass die Ortsverbände an diesem Wochenende Probleme hatten, Helfer beim Aufhängen der Wahlplakate zu finden. "Für Laschet nicht", hieß es da hinter vorgehaltener Hand. Und außerdem war die Basis schon immer für Friedrich Merz als Parteivorsitzender und Söder als Kanzlerkandidat. Mit dem würde man jetzt an der 40-Prozent-Marke kratzen. Auffällig ist, dass man kaum Plakate mit dem Kanzlerkandidaten oder auch mit den Motiven der Parteikampagne sieht, sondern mehrheitlich Plakate mit den Direkkandidaten des Wahlkreises. Der Glaube an die Zugkraft des Kandidaten scheint schon verloren.

Unvergessen auch Laschets Taschenspielertrick mit dem er sich die Kanzlerkandidatur erputscht hat: Statt angeblich eine neue Idee vorzustellen, die er in Wahrheit gar nicht hatte, hat er die Parteioberen in der denkwürdigen nächtlichen Zoomsitzung müde gequatscht bis diese nur noch Ja sagten. Dabei ist er offiziell nicht malnominiert worden in dieser Nacht, denn dieser Punkt stand gar nicht auf der Tagesordnung und es hätte gar nichtdarüber abgestimmt werden dürfen.

Ein Auswechseln des Kandidaten ist jetzt nach Druck der Wahlzettel trotz zahlreicher Forderungen jetzt nicht mehr möglich. Aber sollte Laschet bei einem schwachem Ergebnis nach diesem Desaster-Wahlkampf überhaupt Koalitionsverhandlungen führen und Kanzler werden? Viele fürchten, dass der heitere Printenmann aus dem Aachener Raum dann jede Kröte der Koalitonspartner schlucken wird, nur um Kanzler zu werden. Deshalb vielleicht auch keine Festlegung, dass Merz sein Finanzminister oder Reul sein Innenminister werden soll? Im Golf wäre das fehlendes Teamspiel. Mit dem Einknicken vor den Koalitionspartnern wäre aber Laschets Kanzlerschaft von vornherein belastet. Die Union sollte sich schon jetzt fragen, ob die Koaltionsverhandlungen nicht besser jemand anders führt, der dann von den Abgeordneten zum Kanzler gewählt wird.

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